Leseprobe:

Bildung klappt nicht ohne Top-Betreuung

Was Hänschen nicht lernt, muss Hans später dennoch dazu lernen. Bildungseinrichtungen können aber nur dann Erfolg haben, wenn alles stimmt: Lernangebot und Coaching.

Eine Institution, die das sehr ernst nimmt ist das in Bottrop ansässige Bildungsforum Bottrop. Hier ist Gisela Fischedick mit dieser besonders wichtigen Aufgabe betraut. Stichwort: Teilnehmerbetreuung. Gisela Fischedick bekennt sich zur Losung: "Ich arbeite hier mit Menschen und nicht mit Maschinen!" Trainings-Center, Umschulungsbetriebe, Weiterbildungsinstitute. Im Jahr 2000 besuchten allein in Nordrhein-Westfalen rund 100.000 Personen professionelle Einrichtungen zur beruflichen Qualifikation. Die Folge: In jedem einzelnen Fortbildungszentrum bildet sich mit der Vielfalt der am Programm teilnehmenden Personen ein Schmelztiegel unterschiedlichster beruflicher Herkünfte, Motivationen und Persönlichkeiten. Und diese Mixtur ist es, die in den Einrichtungen für Zündstoff sorgen kann. Ein Lob jenen Instituten, die es sich leisten, eine professionelle Teilnehmerbetreuung zu beschäftigen. Eine von ihnen ist eben Gisela Fischedick als Teilnehmerbetreuerin im Bottroper Bildungsforum Bif.

In diesem Büro bilden sich für wenige Minuten emotionale Welten, Schicksale liegen bloß. Dann wieder lautes Lachen oder aufgeregt klingende Sprachfetzen. Ganz offensichtlich spielt hier die Persönlichkeit der Menschen eine spürbare und hörbare Rolle. Lehrerin wollte sie mal werden und hat auch Lehramt studiert. Abgeschlossen hat sie das Studium zwar nicht, und dennoch sprudelt aus ihr die pädagogische Freude im Umgang mit den Menschen. "Ich bin hier im Grunde Psychologin, Pädagogin und Therapeutin in einer Person, und damit vereinen sich ganz viele Berufe in der Bezeichnung Teilnehmerbetreuung." 120 Teilnehmer verzeichnet die Bif Bildungsforum Bottrop GmbH zur Zeit, wobei sich diese Zahl aus ganz unterschiedlichen Bildungsangeboten zusammen setzt. Hier sind zukünftige Fachleute aus der IT-Branche, die zum Fachinformatiker, IT-System-Kaufmann oder -Elektroniker ausgebildet werden genauso anzutreffen wie angehende Mediengestalter für Digital- und Printmedien aber auch Drucker und Buchbinder. PC-Typen und Kreative. Wie gesagt - eine bunte Mischung.
Die weitaus meisten Teilnehmer der Bildungsmaßnahmen sind erwachsene Menschen - mit zum Teil sehr erwachsenen Problemen. "Ein Teilnehmer hat sich hier abgemeldet," erzählt Gisela Fischedick "um die Suchtberatung für Alkoholabhängige aufzusuchen, und am nächsten Morgen komme ich wieder an meinen Arbeitsplatz und erfahre, dass dieser Teilnehmer in der geschlossenen Psychiatrie gelandet ist. Der ist also nach dem Gespräch mit mir in der Anstalt gelandet, und ich muss zugeben, dass mir das schon ziemlich zugesetzt hat." Die Schuldfrage? Nein, bei solch schwerwiegenden persönlichen Teilnehmerproblemen ist die Suche nach der Schuld verzerrt. Und allein gelassen wurde auch dieser Teilnehmer nicht. Denn wenige Tage zuvor suchte Gisela Fischedick die Suchtberatung auf und erkundigte sich, wie mit einem solchen Fall professionell umzugehen sei. Und so kam diese Nachricht nicht gänzlich unvorbereitet, war sie doch eine tragische aber beinahe unabwendbare Konsequenz einer nahezu dramatischen Lebenssituation des Teilnehmers.
Eins darf man in diesem Moment nicht vergessen: Es handelt sich bei der Bif Bildungsforum Bottrop GmbH um eine Bildungseinrichtung, nicht um eine sozialtherapeutische Anlaufstelle. Reinhard Pospiech, der Geschäftsführer der Bif Bildungsforum Bottrop GmbH, beschreibt die Funktion seiner Teilnehmerbetreuerin so: "Seitdem wir mit Frau Fischedick eine sozial-psychologisch geschulte und erfahrene Person haben, hat sich das gesamte Klima zwischen den Teilnehmern und den Mitarbeitern unserer Einrichtung spürbar verbessert. Und nicht nur das, wir profitieren natürlich auch von den Ideen unserer Teilnehmer, die bei Frau Fischedick immer ein verständiges und offenes Ohr finden."
Eben diese Bereitschaft zum verständnisvollen und vertraulichen Gespräch kann aber auch von allzu schamlosen Teilnehmern überdehnt und letzthin ausgenutzt werden. Auch darüber ist sich die erfahrene Teilnehmerbetreuerin bewusst, und so hat sie sich im Laufe der Zeit Techniken erarbeitet, die vor schamlosen Frechheiten besonders "schlauer" Teilnehmer schützen. "Auf den bei mir liegenden Entschuldigungsformularen lasse ich es auch gelten, wenn die Teilnehmer darauf "persönliche Gründe" vermerken. Sie müssen sich aber bei mir vertraulich erklären, und fadenscheinige Erläuterungen kann ich einfach nicht gelten lassen."
Die Teilnehmer wissen das Angebot der Bif Bildungsforum Bottrop GmbH mittlerweile zu schätzen und tun dies auch. Sie wissen, dass ihre Sorgen und Nöte hier Gehör finden und auch dort bleiben wo sie hingehören - bei ihrer Person des Vertrauens. "Als einen außerordentlichen Vertrauensbeweis gilt zum Beispiel der Besuch einer jungen Teilnehmerin, die am Montag morgen erst sehr spät kam weil sie - wie sie mir wirklich sehr glaubhaft erklärte - erst noch die "Pille Danach" besorgen musste. Also, das empfinde ich schon als einen wirklich sehr intimen Grund und als einen enormen Vertrauensbeweis, und ich habe den Grund auch angenommen und ihr geglaubt."
Teilnehmerbetreuung, das ist eine sensible Gradwanderung zwischen beinahe pastoralem Gutmenschentum und bürokratischer Verantwortlichkeit, entlang der bildlichen Schnittkante des Ausnutzens und der persönlichen Vereinnahmung. Aber sie kann gelingen. Wenn die erwachsenen Teilnehmer zum Ende ihrer erfolgreichen Qualifizierung zurück blicken und eine inhaltlich fundierte und menschlich koordinierte Organisation erkennen, dann hat eine Teilnehmerbetreuung, so wie sie Gisela Fischedick versteht, ihren Sinn erfüllt.

 

Züruck